Spitzenförderung: DCV setzt den Kampf um Verbleib fort
vom 30.10.2014
Keine Hoffnung nach weiterem informativem Gespräch beim DOSB, aber sehr viel positiver Zuspruch aus Reihen der Mitglieder und Öffentlichkeit

Der Deutsche Curling-Verband sieht sich, eine Woche nach öffentlich werden des drohenden Verlusts sämtlicher Bundesfördermittel, durch den großen Zuspruch aus Reihen der Mitglieder und der Öffentlichkeit in seinem Kampf um den Verbleib in der deutschen Spitzensportförderung bestärkt. In den Medien wird die erstmalige Streichung einer olympischen Kernsportart aus der Leistungssportförderung sehr kritisch kommentiert. Auch andere olympische Verbände sind inzwischen alarmiert über den offensichtlich vorgenommenen Paradigmenwechsel in der deutschen Sportförderung.

„Wir waren gestern – mit dem Tenor, gemeinsam nach Lösungen zu suchen – beim DOSB in Frankfurt eingeladen und haben DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Leistungssportdirektor Bernhard Schwank unsere Nöte noch einmal vorgetragen“, so DCV-Präsident Dieter Kolb. „Leider konnte der DOSB uns hinsichtlich des Erhalts der Leistungssportförderung oder einer möglichen Grundförderung, die unserem Sport das Überleben ermöglichen würde, keine Hoffnung machen. Es wurden uns punktuelle Hilfen über Drittmittel in Aussicht gestellt, die uns aber, beim Wegfall der leistungssportlichen Strukturen im Verband, wie der Maßnahmen, nicht entscheidend helfen werden.“

Kolb: „Werden bei Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung für den Erhalt unserer Sportart kämpfen!“
Trotz der ernüchternden Nachrichten vom Dachverband will man beim Curling-Verband den Kampf um den Erhalt der olympischen Kernsportart in der deutschen Sportförderung kämpfen. „Wir werden alle unsere Energie darauf verwenden, in der Politik und bei den Entscheidungsträgern in Städten, Ländern und Bund ein Umdenken zu erzeugen, die verhältnismäßig geringen Mittel, die wir zum Erhalt unserer Sportart benötigen, zur Verfügung zu stellen. Gerade mit einer beschlossenen Olympia-Bewerbung für 2024 oder 2028, die auch wir Curler im Sinne des Sports stark befürworten, kann es doch nicht sein, dass in Deutschland ein olympischer Spitzenverband aufs Abstellgleis gestellt wird!“

Bereits seit dem heutigen Donnerstag steht der Verband ohne Sportdirektor Rainer Nittel da, weil dessen Vertrag, wie die der anderen Verbandsmitarbeiter, vorsorglich zum 31. Dezember gekündigt werden mussten, um den DCV nicht in eine Insolvenz laufen zu lassen. „Ich habe Rainer Nittel gebeten, uns trotzdem – solange es ihm möglich ist – zur Verfügung zu stehen, um uns in unseren Anstrengungen, den Fördererhalt noch zu schaffen, zu helfen. Wir können da auf seine Kompetenz nicht verzichten“, sagt Kolb. Der DCV hat sich inzwischen auch sehr kompetenten rechtlichen Beistand gesucht. Dr. Christoph Wüterich, ehemaliger Präsident des Deutschen Hockey-Bundes und ehemaliges Mitglied der Anti-Doping-Kommission des DOSB, berät den Verband bei seinen Bemühungen um den Erhalt der Sportförderung.

Aktive und ehemalige Sportler sehr geschockt, aber kämpferisch
Die deutschen Curlingsportler und –vereine reagierten geschockt auf die Meldung, dass der DOSB dem BMI die Streichung des Curlingsports aus der Spitzenförderung empfohlen hat. Ehemalige und aktive Curler gründeten eine Facebook-Gruppe, initiiert von den beiden ehemaligen Europa- und Vize-Weltmeistern Andy Kapp und Holger Höhne, die das Motto der deutschen Olympiamannschaft „Wir für Deutschland“ mit „Wir für Curling“ aufgreift. Dort haben sich inzwischen auch viele Nicht-Curler solidarisiert. Täglich wird sich dort über News zu dem Thema ausgetauscht und über Aktionen nachgedacht, mit deren Hilfe man den drohenden Fördermittel-Verlust vielleicht noch abwenden kann.

Umfangreiche Faktensammlung „pro Curling“
Der DCV selbst versucht auf allen Ebenen die Entscheider noch umzustimmen. Grundsätzlich gibt es sehr viele Argumente, warum Curling in der Sportförderung bleiben muss. Folgende Fakten wurden dabei zusammengestellt:
  • Es wäre das erste Mal in der Geschichte des bundesdeutschen Sports, dass ein olympischer Sportverband aus der Förderung genommen würde

  • Es gilt bislang ein Präsidiumsbeschluss des DOSB von 2012, nach dem ALLE Sportarten weiter gefördert werden sollen, auch wenn die finanzielle Situation schwierig ist und der Leistungssport mehr Geld bräuchte. Dieser Beschluss wurde – nach Wissen des DCV – auch nie aufgehoben.

  • Der DCV wurde 2013 nach dem Abstieg der Herren aus der A-Gruppe bei der EM von DOSB und BMI in den Zielvereinbarungsgesprächen aufgefordert, einen leistungssportlichen Neuanfang Umbruch zurückzustellen, sondern erstmal die Qualifikation für Sotschi als oberstes Ziel zu realisieren.

  • Dies wurde mit hohem Aufwand geschafft. Nach Sotschi kam dann die Aufforderung, nun ein neues Konzept vorzulegen, mit der mittel- und langfristig wieder der Anschluss an die Weltspitze (Plätze 1-6) geschafft werden kann.

  • Dies hat der DCV umgesetzt. Mit Thomas Lips konnte der wahrscheinlich beste Trainer im deutschsprachigen Raum engagiert werden, an dem man schon zwei Jahre dran war. Gemeinsam mit ihm wurde ein Konzept erstellt, das den DCV wieder an die Weltspitze heranführen sollte.

  • Der Förderbedarf wurde in diesem Kontext (zuvor 2 Halbtags-Bundestrainerstellen und ca. 25 Lehrgangstage für die Nationalteams pro Jahr) erhöht. Im Gespräch mit DOSB und BMI Mitte September wurde die angesetzte Fördergeld-Erhöhung von 210.000 auf 155.000 zusammengestrichen. Die Kaderzahl wurde dafür reduziert und das Stützpunktsystem angepasst.

  • Weil der dadurch festgestellte Mehrbedarf durch das BMI nicht finanziert werden kann, soll nun sämtliche Förderung wegfallen, „weil der DCV ja selbst festgestellt habe, dass das Ziel, die Plätze 1 bis 6 in der Welt mit der bisherigen Förderung zu erreichen, fast unmöglich ist. Dieser Rückschluss ist aus DCV-Sicht fatal.

  • Der DCV sieht das ganz anders: Wenn man den Mehrbedarf nicht finanzieren kann, müssen die Zielstellungen verändert werden. Aber man kann einen Verband, der zu 95 Prozent auf Bundesförderung angewiesen ist, ja nicht die Grundförderung wegnehmen und ihn dadurch komplett zerstören. Das widerspricht allen Prinzipien der Sportförderung in Deutschland.

  • Der DCV sieht sich hier als kleinster olympischer Fachverband, mit den wenigsten Athleten und der vermeintlich geringsten Lobby, als Spielball ausgewählt, um die lange im Raum stehende Forderung einer Erhöhung der Sportförderung in Deutschland auf eine neue Ebene zu heben.

  • Dabei hat sich der DCV nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, die Argumente sprechen klar für eine Fortführung der Förderung, wenn nicht gar für die Erhöhung. Und zwar aus folgenden Gründen:
    • Der DCV hat, seitdem Curling olympisch ist, mit der geringsten Förderung aller olympischen Fachverbände viel erreicht. Er war immer bei Olympia mit mindestens einem Team, hat Titel bei WMs und EMs gewonnen.

    • Der DCV hat alle mit DOSB und BMI vereinbarten Strukturänderungen umgesetzt und sich immer nach deren Vorgaben gerichtet.

    • Der DCV hat mit hohem Aufwand, unter anderem mit Ausrichtung des weltweit einzigen Olympia-Qualifikationsturniers, nicht nur die Quali für Sotchi mit den Herren erreicht, sondern auch den Aufstieg in die EM-A-Gruppe geschafft und damit die Voraussetzungen für WM- und Olympia-Qualis in Zukunft realisiert.

    • Curling hat direkt vor Sotchi eine enorm hohe Aufmerksamkeit für den olympischen Sport erzeugt und das mit Athleten, die als eine der letzten Sportler in Deutschland als reine Amateure gegen Profis antreten.

    • In Sotchi hat Curling die Rekord-Einschaltquoten bei ARD und ZDF von den Spielen in Vancouver NOCH EINMAL gesteigert. Curling war bei durchschnittlich 20 Prozent Marktanteil der Sport mit den meisten Olympiasendungen und mit der zweitlängsten Sendezeit.

    • Der DCV ist bereits jetzt mit beiden Teams für das Olympia-Qualifikationsturnier 2017 qualifiziert und hat seine sportlichen Planungen auf eine erfolgreiche Teilnahme abgestimmt.

    • Curling ist eine olympische Kernsportart mit reinen Amateuren. Die Spitzensportler stecken jährlich 5.000 bis 10.000 Euro in Ihren Sport. Die benötigten Mittel stehen ausschließlich für Reise, Unterbringungskosten, Teilnahme an Weltcupturnieren sowie dem Betreuungspersonal. Die Sportler selbst haben noch nie Geld vom Verband bekommen und können ihren Sport nur mit Hilfe der Deutschen Sporthilfe durchführen.

    • die Erfolgsbilanz mit Weltmeister-, Europameistertiteln sowie der Qualifikation mit mindestens einem Team bei bisher ALLEN Olympischen Winterspielen spricht für sich. Und das dies alles, was mit relativ geringer Förderung erreicht wird, wirft man nun einfach weg?

  • Mit der Herausnahme aus der Bundesförderung zerstört man auch alles, was in den letzten Jahren mühsam aufgebaut wurde:
    • Eine professionellere und damit leistungsstärkere Struktur des Verbandes, denn die gesamte Geschäftsstelle musste zum 31.12. gekündigt werden, um nicht bereits im Januar in die Gefahr einer Insolvenz zu geraten.

    • Der Leistungssport komplett, denn der neue Bundestrainer ist ebenfalls zum 31. Dezember gekündigt. Der Verband steht zum 1.1. ohne Personal da.

    • Das gesamte Stützpunktsystem, das mit Hamburg einen zweiten Bundesstützpunkt hinzu bekommen sollte

    • Die Nachwuchsförderung (gerade wurde sehr erfolgreich der erste Sichtungslehrgang für die Youth Olympic Games 2016 in Lillehammer veranstaltet). Deutschland hat mit Nicole Muskatewitz eine amtierende Goldmedaillengewinnerin der letzten YOG.

    • Vermutlich auch das extrem erfolgreiche Champions-Tour-Turnier in Hamburg, das in den drei Jahren des Bestehens immer weiter gewachsen ist.

    • Den paralympischen und den deaflympische Bereich des Curlings werden die wegfallenden Verbandsstrukturen ebenfalls beeinträchtigen.

    • Den Breitensport, der auch unter nun schwindenden Eiszeiten leiden wird.

    • Einnahmen durch Sponsoring, denn ohne Spitzensport wird es schwer sein, die Partner zu halten, bzw. neue zu gewinnen.

    • Die Zusammenarbeit mit der Partner-Agentur SportsWork, wodurch die Medienarbeit, die Verbands-Website und die Unterstützung im Eventmanagement wegbrechen.

    Selbstverständlich erkennt der Deutsche Curling-Verband auch die finanziellen Probleme an, die in der Spitzensportförderung in Deutschland seit Jahren vorhanden sind und die DOSB und BMI in jedem olympischen Zyklus vor immer größere und schwierigere Aufgaben stellen, da der Leistungssport mehr Mittel bräuchte, als zurzeit zur Verfügung stehen. Dennoch hofft man beim Verband, dass angesichts der gravierenden Schäden, die ein Fördermittelverlust – im Gesamtkontext der deutschen Leistungssportförderung zudem ja eher ein geringer Betrag – in diesem Sport anrichten würde, hier doch noch zu einer anderen Lösung kommt.
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